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Verwandt und korrupt: Das Regime in Venezuela - Teil 1

Autorenbild: Rouven BornRouven Born

Aktualisiert: 5. Aug. 2024

Damit das Regime in Venezuela so funktioniert, wie es funktioniert, sind Vertrauen, viel Geld und Leute, die einander gut kennen, notwendig. Kein Wunder, dass viele Regierungsmitglieder miteinander verschwistert, verschwägert oder verheiratet sind. Ich stelle hier die sechs wichtigsten und bekanntesten Politikerinnen und Politiker vor. Den Anfang macht Machthaber Nicolás Maduro Moros.


Es war das Charisma, das Hugo Chávez versprühte. Die Nahbarkeit. Das Revolutionäre. Der Kampf gegen den Imperialismus und den Kapitalismus. Es haftete ihm etwas Heldenhaftes an.


Bei Nicolás Maduro fehlten all diese Attribute. Geboren in einer Mittelklassefamilie in Caracas, der Vater Mitglied einer sozialistischen Partei, die Mutter eine fromme Hausfrau, die nur wenig sprach, und Maduro in eine Klosterschule schickte. Seine drei älteren Schwestern studierten alle an der Universität.


Maduros Leben in den ersten 30 Jahren war unspektakulär. Er lenkte Autobusse durch die Hauptstadt Caracas, kurz vor 30 wurde er Chauffeur der örtlichen U-Bahn-Linie. Er spielte Baseball, der Volkssportart in Venezuela; für eine kurz angestrebte Profikarriere hat es nicht gereicht.


Keine Heldengeschichten

Kurz: Heldengeschichten wie die von Hugo Chávez lassen sich in Maduros Biografie nicht finden. Oder wie es die spanische Zeitung El País vor kurzem schrieb: Simón Bolívar und Hugo Chávez ergriffen die Waffen, Maduro einen Baseballschläger und das Steuer eines Linienbusses.


Wann genau der Moment war, an dem sich Maduro plötzlich für Chávez und dessen Gedankengänge interessierte, ist nicht klar. Vielleicht gab ihm sein Vater die sozialistische Spritze, vielleicht war es auch die Suche nach Anerkennung. Vielleicht passierte das auch, als er ein Studium in Kuba besuchte, das die Studenten auf die Führung einer sozialistischen Partei vorbereitete. Wahrscheinlich bewunderte er dort bereits Chávez, da dieser 1994 von Fidel Castro zum ersten Mal „wie ein Staatsgast empfangen wurde“ (aus „Von Bolívar zu Chávez“, Michael Zeuske).


Sicher ist: In Venezuela wurde er kurze Zeit später Mitglied einer Bewegung von Chávez mit dem Namen „Movimiento Bolivariano Revolucionario 200 MBR“, mitgegründet von Raúl Isaías Baduel, dem späteren Verteidigungsminister von Hugo Chávez, der später die Opposition gegen Chávez anführte.


„Cilita“ und „Nicolasito“

1988 heiratete Maduro seine erste Frau Adriana Guerra Angulo, später trennten sich die beiden wieder. Ihr gemeinsamer Sohn, Nicolás Maduro (die VenezolanerInnen nennen ihn „Nicolascito“) ist ebenfalls Politiker.


Hugo Chávez wurde am 2. Februar 1999 Präsident von Venezuela. Sein Anspruch: Das Land von Grund auf umzukrempeln und es alleine auf den Öleinnahmen zu trimmen. Umgekrempelt wurden erst einmal seine ersten Gehversuche als Präsident: Chávez wurde vom Amt geputscht und ins Gefängnis gesteckt. Maduro besuchte ihn dort oft. Dort lernte er seine jetzige Ehefrau Cilia Flores kennen, Nicolá Maduro nennt sie „Cilita“. Sie war damals Anwältin und setzte sich auch für die Befreiung von Hugo Chávez ein.


In dieser Zeit lernte Maduro auch seine weiteren politischen Weggefährten kennen: den heutigen Staatsanwalt Tarek William Saab (der zusammen mit Cilia Flores um die Freilassung von Hugo Chávez kämpfte) , dann die heimliche Nummer 1 des Chavismus, Diosdado Cabello, sowie Jorge Rodríguez, Minister für Kommunikation, und dessen Schwester und heutige Vizepräsidentin Delcy Rodríguez.


Allen – inklusive Cilia Flores – wird Korruption vorgeworfen.


Als Chávez wieder an die Macht kam, entliess er sämtliche Fachkräfte in den Ölraffinerien, da diese aufbegehrten. Er ersetzte sie mit Militärs, die rein gar keine Ahnung von der Ölförderung hatten und verstaatlichte Privatfirmen. Dann kam die Ölkrise, und der Ölpreis sank. Gift für ein Land, das nur auf Öl gebaut ist. Kurz bevor Chávez starb, riet er dem Volk, sie sollen Nicolás Maduro zu seinem Nachfolger wählen. Das Volk gehorchte; ein folgenschwerer Fehler, wie sich in den folgenden Jahren herausstellte.


Maduro wollte der „Präsident der Sicherheit“ sein

Chávez hinterliess Maduro einen Scherbenhaufen. Und hier begann auch die widersprüchliche Karriere des neuen Präsidenten Nicolás Maduro.


Der erste Widerspruch fand sich bereits in der Antrittsrede: Er wolle die Korruption bekämpfen, die Stromausfälle und die Kriminalität. Letztere wolle er nicht durch Repression eindämmen, sondern durch Bildung. Kurz, er wolle der „Präsident der Sicherheit“ sein.


Passiert ist bei allem das Gegenteil: Er versuchte, die Kriminalität durch Repression einzudämmen, was ihm nicht gelang. Caracas ist die gefährlichste Hauptstadt der Welt. Viele Schulen schlossen, Lehrerinnen und Lehrer flüchteten. Und während Maduros Amtszeit gab es so viele Stromausfälle wie nie zuvor. Höhepunkt: März 2019, als der Strom in weiten Teilen des Landes – inklusive der Hauptstadt Caracas – während einer ganzen Woche ausfiel.


Es war der schwerste Stromausfall in der Geschichte des Landes.


Maduro machte die Opposition dafür verantwortlich, sie hätten einen Angriff aufs Stromnetz gestartet. In Wirklichkeit war der Grund das schlecht gewartete System und der Mangel an Fachkräften.


Das erdölreichste Land der Welt importiert das Öl aus dem Iran

Da das Land praktisch nur von den Öleinnahmen - und die Regierung vom Drogengeld - lebt, muss vieles importiert werden. Maduros Abschottungspolitik bescherte dem Land einen zusätzlichen Inflationsschub, und der damalige US-Präsident Donald Trump schaltete sämtliche Sanktionshebel, das Land versank im Elend und Chaos. Die maroden Raffinerien pumpten kaum mehr Öl, der Treibstoff für die Menschen wurde vom Iran in riesigen Tankschiffen in das erdölreichste Land der Welt importiert.


Da auch das kaum für den Alltag der Menschen reichte, wurde das Benzin mit Wasser gepanscht, Lastwagen, die noch die wenigen Lebensmittel transportieren konnten, blieben stehen. Die Regale in den Supermärkten blieben leer.


Seit dem Amtsantritt von Nicolás Maduro haben fast 8 Millionen Menschen das Land verlassen, weil sie keine Alternative sahen.


Leichte Verbesserung der Lage - auf tiefem Niveu

Seit 2020 verbesserte sich die Lage auf sehr tiefem Niveau, die USA haben - als Kompromiss für faire Wahlen in Venezuela - die Sanktionen auf Ölimporte etwas gelockert. Mit den Einnahmen kann das Regime sein Militär und seine Anhänger nach wie vor gut bei Laune halten.


Maduro hat sich nun eine dritte Amtszeit gesichert, bereits die Amtszeit von 2018 hat er sich geschnappt, ohne rechtmässig gewählt worden zu sein.


Maduro verstrickte sich auch jetzt wieder in Widersprüche: Er wolle gegen den Faschismus ankämpfen. Die Faschisten sind in Maduros Augen die Leute der Opposition. Wer dagegen demonstriert, wird eingesperrt. Dafür hat Maduro extra eine populäre, venezolanische Einkaufs-App umfunktioniert: Man kann darauf jetzt neu – nebst alltägliche Lebensmittel bestellen – Demonstranten melden.


Faschismus in Reinform.

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