Damit das Regime in Venezuela so funktioniert, wie es funktioniert, ist Vertrauen notwendig. Kein Wunder sind viele Regierungsmitglieder miteinander verschwistert, verschwägert oder verheiratet. Ich stelle hier die sechs wichtigsten und bekanntesten Politikerinnen und Politiker vor.
Teil 3: Tarek William Saab
Staatsanwälte stellt man sich wahrlich anders vor – keine tätowierten, muskelbepackten Rocker. Doch genau das ist Tarek William Saab. Seine Besuche im Fitnessstudio teilt er in den sozialen Medien ebenso regelmässig wie er Gegner ins Gefängnis steckt.
Geboren als Sohn libanesischer Einwanderer, begann Saabs Karriere 1989, als Venezuela in einer tiefen Krise steckte. Die hohen Schulden und die Wirtschaftsflaute führten zu landesweiten Unruhen. Die sozialdemokratische Regierung von Carlos Andrés Pérez reagierte mit unpopulären Reformen. Es folgten Plünderungen, Schiessereien, militärische Massaker mit bis zu 3'000 Opfern. Saab, damals Anwalt, setzte sich für die Opfer ein und wurde bekannt.
Mit der Demokratie stand Saab jedoch auf Kriegsfuss. Früh schloss er sich einer radikalen linken Organisation an, die Demokratien und Wahlen ablehnte.
Der Generalstaatsanwalt verhaftet im stundentakt Menschen, die das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahen anzweifeln
Heute verteidigt Saab den Staat gegen seine Kritiker. Als Generalstaatsanwalt verhaftet er stündlich Menschen, die das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahlen vom 28. Juli 2024 anzweifeln. Dabei trifft es oft Unschuldige, die er mit konstruierten Anklagen beseitigt – Hauptsache, die Gegner verschwinden.

Zeigt sich gerne jugendlich, nah (Instagram)
Saab lebt in Widersprüchen: Öffentlich zeigt er Härte, privat pflegt er seine Leidenschaft für Poesie und Literatur. Er veröffentlichte mehrere Werke, darunter Gedichte und Biografien über sich selber, die er auf der internationalen Buchmesse in Venezuela vorstellte. Die Bücher tragen Titel wie „Saab“ oder „Hoguera de una adolescencia intemporal“ („Das Feuer einer zeitlosen Jugend“). Als Hugo Chávez 2002 im Gefängnis sass, besuchte Saab ihn regelmässig (wie auch Diosdado Cabello und Nicolás Maduro) und las ihm seine Gedichte vor. Chávez war derart beeindruckt, dass er Saab nach seiner Freilassung in die Regierung holte und ihn immer wieder den „Dichter der Revolution“ nannte.
Jugendlicheres Image
Saabs Verhältnis zu Journalisten hat sich seither drastisch verändert. Anfangs war er eine wichtige Quelle für Reporter, besonders während der Unruhen von 1989, als er Polizeifehler anprangerte. Doch als überzeugter Chavista geriet er zunehmend in Konflikt mit Journalisten und der Opposition. Laut „El País“ machte ihn dies reizbar und empfindlich. Er liess sich „Allah“ auf Arabisch in den Nacken tätowieren – obwohl er sich als Buddhist bezeichnet – und versuchte, durch häufige Fitnessstudiobesuche ein zugänglicheres Image zu schaffen. Doch sein Verhältnis zu den Medien kühlte ab. Journalisten beschreiben ihn heute als arrogant und explosiv, besonders bei kritischen Fragen.

Tarek William Saab (61): „Ich will noch mindestens 40 Jahre leben“ (Instagram)
Als Generalstaatsanwalt nutzt Saab seine immense Macht, um Gegner mit furchteinflössenden Reden zu verunsichern und das Regime damit zu stabilisieren. Doch diese Position wird selbst in seiner Familie infrage gestellt. 2017, knapp vor dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise in Venezuela, solidarisierte sich sein Sohn mit den Protesten gegen die Regierung und kritisierte öffentlich das Verhalten seines Vaters. Saab reagierte überraschend sanft und forderte Respekt für die Meinung seines Sohnes.
Tarek William Saab ist ein überzeugter Chavista, geprägt von sozialistischen Überzeugungen und Verschwörungstheorien. In Interviews wiederholt er beständig dieselben Feindbilder: Venezuela werde permanent von den USA, der EU, und anderen Imperialisten angegriffen. Selbst friedliche Demonstrationen gegen die Wahl hält er für von den USA gesteuert. „Und die Wahlen selbst?“ wollte ein Journalist wissen. „Die will man trüben.“ – „Wer will sie trüben?“ – „Die USA, die Opposition, sie wollen Maduro ermorden. Terroristen, Vaterlandsverräter.“ Es sind die gewohnten Phrasen, die Saab wählt, um sein Handeln zu rechtfertigen – auch wenn sie nur in seiner kreativen Fantasie entstehen.
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